Gerade Rituale, Feiern und Zeremonien lassen uns oft mit offenen Fragen zurück. Kann man…? Darf man…? Muss man…? Hier beantworte ich gerne einige Ihrer Fragen – zumindest diejenigen, die mir schon mal gestellt wurden.
Was Sie immer schon wissen wollten
Sind Beerdigungen im Wald immer anonym?
Nein, jede/r hat in einem Friedwald, Ruheforst oder Trauerhain die Wahl, ob am eigenen Baum eine Plakette mit Namen, Lebensdaten und Zitat befestigt werden soll oder nicht.
Darf bei einer Beerdigung gelacht werden?
Ja, ein befreiendes Lachen oder ein Lächeln sind Zeichen der Dankbarkeit, dass Sie den verstorbenen Menschen kennengelernt haben. Der indische Philosoph Rabindranath Tagore sagte dazu einmal:
<< Glückliche Tage, nicht weinen, dass sie vorüber, (sondern) lächeln, dass sie gewesen. >>
Weinen und Lachen gehören also für die Angehörigen zu einer Trauerfeier.
„Warum haben Sie am Grab meines Opas nicht geweint?“
Das fragte mich einmal ein Junge nach der Beerdigung seines Großvaters. Meine Antwort war sinngemäß: „Das ist nicht meine Aufgabe. Du darfst weinen. Ich versuche Dir und Deiner Familie Trost zu spenden. Auch kann ich nicht bei jeder Trauerfeier in Tränen zerfließen.“
Natürlich gibt es auch Situationen, in denen auch mir Tränen in den Augen stehen. So beispielsweise beim Suizid eines achtjährigen Jungen, den ich kurz vorher kennengelernt hatte. Das konnte dann auch jeder verstehen.
Wie geht man in einer Gedenkrede mit problematischen Dingen um? Soll man Selbsttötung, Alkoholismus, schwierige Charakterzüge etc. verschweigen oder offen aussprechen?
Ich denke ja. Jeder weiß es oder ahnt es zumindest.
Während des Vorgesprächs hatte ich den Angehörigen geraten, dass ich den Suizid des Verstorbenen erwähnen sollte. Sie wollten das nicht, so dass ich natürlich in der Rede darauf verzichtete. Beim anschließenden Kaffeetrinken erlebte ich mit, wie dessen Sohn sich unter den bohrenden Fragen der Freunde des Toten gewunden hat.
Bei einem anderen Todesfall wollte die Witwe, dass ich den Alkoholismus ihres Mannes „humorvoll“ erwähnen soll, was ich nicht empfahl. Wir einigten uns auf eine sachliche Erwähnung seiner „Probleme mit Alkohol“. Das entsprach der Wahrheit und beschädigte nicht die Würdigung seiner Person.
Schwer und in jedem Fall neu zu klären, ist der Umgang mit schwierigen Charakterzügen.
In einem Fall wusste ich vorher davon und hatte den Auftrag, dem Verstorbenen eine würdevolle Beerdigung zu bereiten, aber nachher es zu arrangieren, dass seine Saufkumpane nicht mit ans Grab kommen. Ich erwähnte den „schwierigen Charakter“ und sorgte dafür, dass nur die Kaffeerunde der Witwe Abschied nehmen konnte.
Bei einem anderen Fall war ich fast froh, dass ich erst nach der Trauerfeier für den „liebenden Ehemann und Vater“ erfuhr, dass seine Frau immer wieder mal mit blauen Augen durch den Ort lief …
Ansonsten gilt es auch hier, zusammen mit den Angehörigen die passende Formulierung zu finden, mit der ich beschreibe, dass „es nicht immer leicht mit ihr/ihm war“.
Wie flexibel sind Sie als Trauerredner?
Bisher habe ich immer eine Lösung gefunden, wie ich Wünsche der Angehörigen umsetze, die meinen persönlichen Ansichten widersprechen oder meine Fähigkeiten überschreiten:
Ich bin Pazifist. Nun hatte ich vor einigen Jahren einen Fremdenlegionär zu bestatten. Ich sagte in der Rede, dass auch die Fremdenlegion zu seinem Leben gehörte und übergab dann vorübergehend die Zeremonie an die Vertreter seines Veteranenvereins, die mit Trommelwirbel, dem „Kleinen Soldaten“ von Edith Piaf und einer kurzen Ansprache diesen Teil seiner Biographie würdigten. Anschließend habe ich wieder die Regie übernommen und den Toten und die Trauergemeinde zum Abschied am Grab geleitet. So wurde ich dem Leben des Verstorbenen in seiner Ganzheit gerecht, ohne mich zu verbiegen oder gar seine Angehörigen zu brüskieren.
Zum Buddhismus habe ich keine so enge Beziehung wie zu Christentum, Judentum und Islam. Umso schöner war es, als bei einer christlich-buddhistischen Gedenkfeier ein buddhistischer Meister eine Kurzmeditation übernahm, die ich nicht so glaubhaft hätte vollziehen können. Dabei kam es zu einem fruchtbaren Dialog: Er ging in seiner Meditation auf den Bibeltext ein, den ich vorher zitiert und ausgelegt hatte, so dass ich wiederum anschließend spontan auf seine Bemerkung eingehen konnte. Noch beim Essen haben wir uns angeregt unterhalten.
In einem katholischen Dorf hatte die Witwe Angst, dass sie sich durch die Gedenkfeier ohne Pfarrer isolieren könnte. Ich konnte sie beruhigen, indem ich für die katholischen Trauergäste das Vaterunser sprechen würde. Nach der Feier kam die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats auf den Bestatter und mich zu und bedankte sich dafür. Sie und damit auch wohl die anderen katholischen Nachbarn hatten also das Vaterunser als Angebot für eine gute Nachbarschaft verstanden, und die Witwe und ihr Sohn konnten weiterhin unbesorgt im Dorf wohnen bleiben.