Ein kleiner Einblick in meine Arbeiten

Jede Rede ist so individuell wie der Mensch, dem diese Rede gewidmet ist. Die hier eingestellten Reden sollen Ihnen einen kurzen, aber nachhaltigen Eindruck meiner Arbeit als Trauerredner, Hochzeitsredner und freier Redner geben.

Die Beschäftigung mit dem Tode ist die Wurzel der Kultur. (Friedrich Dürrenmatt)

Trauerrede für Andreas Bauer* am 14.10.2008 in Dreieich-Sprendlingen

Musikstück „Streets of Gold“ von Eva Cassidy

<< Hände, laßt von allem Tun
Stirn, vergiß du alles Denken
alle meine Sinne nun
wollen sich in Schlummer senken.

Und die Seele unbewacht
will in freien Flügen schweben
um im Zauberkreis der Nacht
tief und tausendfach zu leben.>>

Hermann Hesse – Richard Strauss „Vier letzte Lieder“ 

Liebe Trauergemeinde, wir sind hier zusammengekommen, um Andreas Bauer zu gedenken, der vor einer Woche im Alter von 48 Jahren entschlafen ist.

Geboren wurde er am 4. April 1960 in Frankfurt als erstes von vier Kindern von Gisela und Gerhard Bintzer. Nach ihm kamen noch Helmut, Peter und Karl-Heinz zur Welt. Sein Vater war Arbeiter an der Drehbank bei Pittler in Langen. Seine Mutter arbeitete in einem Supermarkt an der Kasse. Schon früh verlor er seinen Vater und seinen Lieblingsbruder Peter. Verluste, die er nie ganz verkraftet hat. Seine Mutter musste die Kinder alleine durchbringen. Sie starb vor einem Jahr.

Nach der Grundschulzeit in der Gerhart-Hauptmann-Schule besuchte Andreas die Goetheschule, die er mit der Mittleren Reife abschloss. Nach der Max-Eyth-Schule und der Lehre als Elektriker wurde er Hauselektriker beim Kaufpark, der durch den Wertkauf ersetzt wurde. Als der Wertkauf von Walmart aus den USA übernommen wurde, gab es zunehmenden Druck auf die Angestellten. In dieser Zeit müssen Andreas Bauers Probleme mit dem Alkohol begonnen haben. Zu den amerikanischen Methoden der Mitarbeitermotivierung von Walmart gehörte auch das „hire and fire“, also heuern und feuern. Als Walmart an der deutschen Mentalität gescheitert war, sich aus Deutschland zurückzog und an Real verkaufte, war Andreas Bauer bereits gekündigt worden. Auch wenn er es verdrängte, war er auf dem Weg zum Alkoholiker. An seiner Sucht waren auch zwei Ehen und auch die jahrelange Beziehung zu seiner Freundin Melanie gescheitert. Sie zog aus, er wohnte alleine im Berliner Ring und lebte davon, Feuerlöscher zu verkaufen und zu warten.

Nach ein paar Besuchen bei den Guttemplern soll er geplant haben, eine Drogenentziehung zu beginnen. Er wartete nur noch auf eine Bestätigung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse und das Arbeitsamt. Doch dann musste man am 6. Oktober in der Zeitung lesen:

<< Bei Brand verletzt
Sprendlingen (hok) – Schwer verletzt wurde ein 48-Jähriger bei einem Wohnungsbrand am Donnerstagabend gegen 22.20 Uhr im elften Stock eines Hochhauses im Berliner Ring. Dabei hatte eine am Boden liegende Matratze Feuer gefangen. Die Polizei vermutet einen fahrlässigen Umgang mit einer brennenden Zigarette als Ursache. Der Mann erlitt Brandwunden und eine Rauchvergiftung, er wurde ins Stadtkrankenhaus Offenbach eingeliefert. Es entstand ein Schaden von etwa 25 000 Euro. Die Kripo hat die Ermittlungen aufgenommen. >>

OFFENBACH-POST vom 6. Oktober.

Vorgestern hat sie gemeldet, dass Andreas Bauer gestorben ist. Nach seiner Überweisung ins Dreieich-Krankenhaus ist er nicht mehr aus dem künstlichen Koma erwacht und konnte friedlich für immer einschlafen.

<< Einschlafen dürfen, wenn man müde ist
Und eine Last fallen lassen dürfen,
die man lange getragen hat,
das ist eine wunderbare Sache. >>

Gedicht von Hermann Hesse

Liebe Trauergemeinde, der Tod gehört zum Leben. Wie es nach dem Tod aussieht, wissen wir nicht, können wir nicht wissen und sollen es vielleicht auch nicht wissen, damit wir uns auf das Leben hier auf Erden konzentrieren können. Während Juden, Christen und Moslems an die Auferstehung der Toten glauben, denken andere an den Kreislauf der Natur oder eine Art von Wiedergeburt. Während sich die einen auf das Leben nach dem Tod freuen, haben andere Angst davor, was danach kommt. Gemeinsam ist allen, dass sie Bilder benutzen. Am Anfang dieser Trauerfeier habe ich bereits ein Gedicht von Hermann Hesse vorgelesen, das vom Tod als Befreiung spricht. Von Hesse stammt auch das bei den Deutschen sehr beliebte Gedicht „Stufen“, das er 1941 schrieb. In diesen Versen gebraucht er Bilder, die man sowohl auf den Wechsel vom Leben zum Tode als auch auf alle Formen von Trennungen und Veränderungen im Leben anwenden kann:

Stufen

<< Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm‘ Abschied und gesunde! >>

Von dem fränkischen Dichter der Romantik Jean Paul stammt die Aussage:
<< Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. >>

Daher bitte ich Sie, jetzt für einen Moment des stillen Gedenkens an Ihren Bruder, Schwager, Onkel und Freund aufzustehen.
(Schweigeminute)

Ich danke Ihnen.

Mit seinem frühzeitigen Tod durch einen unglücklichen Unfall endete ein Leben voller Schwierigkeiten, aber auch voller Hoffnungen. Bei all seinen Problemen und Schicksalsschlägen war er stets fröhlich und hilfsbereit. Er und sein Humor werden Ihnen fehlen.

Seine Brüder laden Sie, liebe Trauernde, im Anschluss an die Trauerfeier zu einem Imbiss ein. In seiner Lieblingskneipe, dem „Café Zeitlos“ oder „Café Scheintot“, wie Ihr Andreas es immer scherzhaft nannte, können Sie in einer anderen Umgebung an Ihren geliebten Andreas gedenken.

Zum Abschluss hören wir Andrea Bocelli und Sarah Brightman „It’s time to say good bye – Es ist Zeit für den Abschied“.

Musikstück „Time to say good bye“ von Andrea Bocelli und Sarah Brightman

(am Grab)

<< Der Wind weht ein Blatt vom Baum,
von vielen Blättern eines.

Das eine Blatt, man merkt es kaum,
denn eines ist ja keines.

Doch dieses eine Blatt allein
war Teil von unserem Leben.

Erscheint uns dieses Blatt auch klein,
es wird kein gleiches geben. >>

Liebe Trauernde, wir verabschieden uns jetzt von den sterblichen Überresten Ihres geliebten Andreas.
<< Erde zur Erde, Asche zur Asche, Staub zum Staube. >>
(Erdwurf/Abschied)
Andreas Bauer, ruhe in Frieden!

Jörg Roggenbuck, Dreieich, 14.10.2008

* Diese Rede basiert auf einem tatsächlichen Todesfall, der Name wurde ersetzt und der Lebenslauf weitgehend erfunden.

<< 48-Jähriger verstorben
Sprendlingen (klg) – Seinen schweren Verletzungen erlegen ist der 48-jährige Bewohner des Hochhauses Berliner Ring 25, der beim Brand seiner Wohnung am späten Abend des 2. Oktober zu Schaden gekommen war (wir berichteten). Eine am Boden liegende Matratze hatte nach Mitteilung der Polizei Feuer gefangen – vermutlich durch fahrlässigen Umgang mit einer Zigarette. >>

Offenbach Post vom 06.10.2008